Erfahrungsbericht Medizin-Praktikum
Pokhara | Nepal
Von Simone
Nach der Überwindung von 9.294 km und der Durchquerung von 5 Zeitzonen kam ich 21 Stunden nach meiner Abreise erschöpft am Flughafen in Kathmandu an. Nach einem herzlichen Empfang durch den Karmalaya Mitarbeiter Nawa staunte ich auf der Fahrt zum Volontärhaus über das hektische Treiben auf den nepalesischen Straßen, welches einen gewaltigen Kontrast zu unserem heimischen Abendverkehr darstellt. Jede noch so kleine Lücke wird genutzt. Durch das Können unseres Fahrers kamen wir problemlos im Volontärhaus an, wo ich meine erste Tika (hinduistisches Segenszeichen; meist roter Punkt bzw. Strich auf der Stirn) von der Gastmutter Ama erhielt. Während meiner ersten drei Tagen in Nepal durfte ich gemeinsam mit den anderen Neuankömmlingen das Einführungsprogramm von Karmalaya genießen. Während dem Sightseeing bekamen wir durch Nawas Erklärungen ein Einblick in den Hinduismus und Buddhismus und staunten über das friedliche Nebeneinander dieser Religionen in Nepal. Abends konnten wir beim Momo-Kochkurs unsere ersten nepalesischen Worte, die wir davor im Sprachunterricht gelernt hatten, einsetzen. Beim gemütlichen Beisammensein lauschte ich gespannt den Erzählungen der erfahreneren Volontäre, die von ihren Einsätzen, Erfahrungen und Eindrücken berichteten.
Projekt
Nach den Einführungstagen begab ich mich auf die Reise nach Pokhara, einer Stadt am Fuße des Annapurnamassivs. Dort absolvierte ich in einem großen Krankenhaus inmitten der Stadt mein Praktikum. Zu Beginn war alles ein bisschen überwältigend. Ich staunte über das nepalesische „keep it cheap“. Da es in Nepal keine Krankenversicherung gibt, müssen die Behandlungen so billig bleiben, dass sie sich die Patienten leisten können. Im großen Gegensatz zu uns werden in Nepal die Patienten von ihren Verwandten betreut, die Tag und Nacht für das Wohl des Kranken sorgen. Sie kaufen die Medikamente in der Apotheke, bringen die Blutproben ins Labor und besorgen das Essen für die Patienten. Im Kontrast zu unserer Wegwerfgesellschaft sah ich viele Varianten der Wiederverwertung. So werden beispielsweise die im Operationssaal gebrauchten Handschuhe gewaschen, getrocknet und als Einweghandschuhe wieder verwendet. Das Abhandensein von Venenstauschläuchen wird einfach und unkompliziert durch einen Handschuh, einen Gummischlauch oder bei großer Eile sogar durch den Infusionsschlauch überbrückt. Alle waren sehr freundlich zu mir.
Kommunikation
Die Kommunikation reichte von Englisch über mein bescheidenes Nepali bis hin zu Zeichensprache. Dabei kam es natürlich zu einigen kleinen Missverständnissen, die beispielsweise dazu geführt haben, dass ich ein zweites Mittagessen serviert bekommen habe oder zweimal Schokolade bringen durfte. Aber im Großen und Ganzen ging die Verständigung erstaunlich reibungslos.
Arbeitsalltag im Krankenhaus
Ich staunte über den Eifer der nepalesischen Ärzte. Es gibt kaum einen Arzt, der nur in einem einzigen Krankenhaus arbeitet. Die meisten Ärzte arbeiten nach meinen Schätzungen um die 70 Stunden pro Woche in rund zwei bis drei Spitälern. Auch an Samstagen, dem nepalesischen Feiertag, bei Streiken oder an Festtagen haben die Ärzte nicht frei. Falls ein Krankenhaus nicht offen hat, wird einfach in einem anderen weitergearbeitet. Dementsprechend waren auch meine Arbeitstage um die 11 Stunden lang. Es war sehr anstrengend, hat sich aber durchaus gelohnt. Ich durfte viel zusehen und im Verlaufe der Zeit auch immer mehr nach dem Motto „learning by watching“ mithelfen.
Gastfamilie
Das Leben in einer nepalesischen Gastfamilie fand ich sehr spannend. Dadurch konnte ich sehr viel über die Kultur, das Essen und die nepalesische Gastfreundschaft lernen. Neben dem täglichen Dal Bhat (Linsenreis) gab es ab und zu Momos, mein nepalesisches Lieblingsgericht. Mein Schokoladenfondue wurde zwar als Brotaufstrich verwendet, schien aber gut zu schmecken.
Ein ganz besonderes Highlight war die Geburtstagsparty von Binita, einer Krankenschwester aus dem Spital. In Nepal beginnt eine Geburtstagsparty mit dem Kuchen, von dem das Geburtstagskind Stücke abschneidet und den eingeladenen Gästen in den Mund schiebt. Erst danach wird der Hauptgang verspeist und die Geschenke ausgepackt. Es war interessant zu sehen, dass die Nepalesen eigentlich die selben Dinge am Geburtstag machen wie wir, nur in einer anderen Reihenfolge. Meine Zeit in Pokhara verging viel zu schnell. Schweren Herzens musst ich mich von all den neugewonnen Freunden verabschieden, was mir sehr schwer viel.
Wiederaufbauhilfe nach dem Erdbeben
Am Ende meiner Reise durfte ich das Erdbebenhilfe-Workcamp in Gaujini besuchen, wo Karmalaya-Volontäre beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben helfen. Nach einer viereinhalbstündigen Wanderung durfte ich das eingespielte Team an Volontären kennenlernen, die bereits seit einer Woche fleissig Steine schleppten, Böden ausglätteten und Tunnelhäuser aufbauten. Die nächsten eineinhalb Tage half ich bei der schweren Arbeit bei wechselhaftem Regenwetter so gut wie möglich mit. Bei guter Gruppendynamik macht Steine schmeißen am Ende der Menschenkette sogar richtig Spaß! Das Essen in Gaujini war köstlich. Es ist erstaunlich, wie so tolle Köstlichkeiten aus alltäglichen Nahrungsmittel über dem offenen Feuer zubereitet werden können. Das Leben in Gaujini gewann besonders durch seine Einfachheit an Charme. Ich habe das abendliche Bad im Fluss immer sehr genossen. Und wer braucht schon einen Fernseher, wenn er am Tisch sitzend eine so tolle Aussicht hat?
Der Abschied von Nepal fiel mir nicht leicht. Müde bestieg ich nach meinem vierwöchigen Nepalaufenthalt mit einem lachenden und einem weinenden Auge das Flugzeug, welches mich zurück nach Hause brachte. Ich bin überaus glücklich über all die Erlebnisse, Erfahrungen und neugewonnen Freunde und werde meine Zeit in Nepal immer in guter Erinnerung behalten. Karmalaya kann ich durch die individuelle Betreuung und die Nachhaltigkeit der Projekte aufrichtig weiterempfehlen.
Meine Updates/Inputs/Tipps für nachfolgende Praktikanten im Krankenhaus:
Packliste:
- Kleidung:
Ärzten ist die Arbeitskleidung freigestellt. Die meisten tragen Hemd und Hose. Weisse Kittel sind eine Seltenheit. Deswegen würde ich nur einen mitnehmen, wenn du dich wirklich wohl darin fühlst. Ansonsten wirst du ihn sowieso nie anziehen. Die Ausnahme stellt der Operationssaal dar. Hierfür wirst du spezielle Kleidung erhalten. - Desinfektionsmittel:
Das bei uns so gebräuchliche Händedesinfektionsmittel hat seinen Einzug in die nepalesischen Krankenhäuser noch nicht gefunden. Ich rate daher dazu, viel Desinfektionsmittel mitzunehmen. - Stethoskop:
Ich habe mein Stethoskop sehr selten gebraucht. Trotzdem denke ich, dass es nicht schadet, eines mitzunehmen. - Schreibzeug:
In Nepal bringt jeder seinen eigenen Kugelschreiber mit, um sich Notizen zu machen, EKGs zu beschriften oder Dossiers zu ergänzen. - Sprache:
Die ärztliche Sprache ist in Nepal Englisch. Es schadet daher keineswegs sich die Namen und vor allem Abkürzungen der Pathologien und Operationen einmal auf Englisch anzusehen. Dadurch wird die Verständigung sicher viel einfacher fallen.
Anreise
Das Krankenhaus liegt etwas 2.5km vom Haus der Gastfamilie entfernt. Zu Fuß dauert es ca. 30 min bis man im Spital ankommt. Die Gastfamilie besitzt zwei Fahrräder, die man sich ausleihen kann. Es empfiehlt sich eine gute Taschenlampe, bestenfalls eine höhenverstellbare Stirnlampe mitzunehmen, da es abends auf dem Nachhauseweg ziemlich dunkel sein kann. Auch ein guter Regenschutz ist je nach Jahreszeit durchaus praktisch.