Vor genau einem Jahr, Samstag morgens, bereitete ich das Frühstück zu, als Matthias mit blassem Gesicht zu mir kam und mir die aktuellste Meldung des ORF-Newstickers vorlas: „Schweres Erdbeben erschüttert Nepal“.
Ich weiß noch, wie ich – Optimistin, die ich bin – erst einmal versuchte, zu beschwichtigen und zu beruhigen (vor allem wohl auch mich selbst).
„Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm?“
(Foto: Bauprojektleiter & Guide Hom mit den blinden Kindern von Swaragau vor ihrem neuen Haus samt Karmalaya-Praktikantin Avena im März 2016)
Tatsächlich starben durch das Erdbeben am 25. April 2015 und das nachfolgende schwere Erdbeben im Mai fast 9.000 Menschen. Über 800.000 Häuser stürzten ein. Eine furchtbare Katastrophe. Eine Katastrophe, über die wir mit unserem Team bei unserem Besuch wenige Wochen vorher, im Februar 2015, noch gesprochen hatten: „Was wäre, wenn ein Erdbeben Nepal träfe?“, so das triste Gesprächsthema an einem Abend in Swaragau. Denn wie in allen Ländern, die im Spannungsfeld tektonischer Platten liegen, ist man sich der generellen potentiellen Gefahr eines Erdbebens immer latent bewusst. Ein Damoklesschwert.
Das zwei Monate später fiel.
Swaragau selbst lag nur wenige Kilometer vom Epizentrum entfernt. Fast das ganze Dorf lag danach in Schutt und Asche. Kein Stein blieb auf dem anderen. Dass keines der blinden und sehbeeinträchtigten Kinder, die wir in Swaragau seit 2011 unterstützen, zu Schaden kam, grenzt an ein Wunder. Auch keiner unserer Volunteers, kein Teammitglied, kein Projektbeteiligter wurde verletzt.
Aber so vieles wurde zerstört. Jahrelange Aufbauarbeit ausradiert. Wieder alles auf Anfang zurückgestellt.
So viele von euch halfen/helfen mit – seit diesem Tag im letzten Jahr. Mit ganz viel „heart work“ bei unseren Erdbebenhilfe-Workcamps, durch kleine und unglaublich großzügige Spenden, durch motivierenden Support und Initiativen und ganz viel Liebe für Nepal.
(Impressionen aus Swaragau, April 2016)
Nur gemeinsam konnten und können wir so vieles erreichen, Großes schaffen: das neue Haus für die blinden und sehbeeinträchtigten Kinder ist bereits überdacht und wird in wenigen Wochen fertig gestellt, die Mauern der Dorfschule in Swaragau wachsen kontinuierlich, in Gaujini wird im Sommer das Computer-Lab eingeweiht, auch das Internetprojekt folgt noch 2016. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Herzlichen Dank euch allen! Die, die bereits geholfen haben und es noch werden. Es gibt noch viel zu tun. Dhanyabaad!
Im Gedanken in Nepal und im Gedenken an alle betroffenen Menschen.
Liebe Grüße,
Tina für das Karmalaya-Team
P.S.: Auch weiß ich noch, wie ich mit Matthias letztes Jahr versuchte, den Blick in die Zukunft zu richten. Das hilft ja oft in furchtbaren Momenten.
„Was ist wohl in einem Jahr?“ Wenn ich gewusst hätte, dass innerhalb dieses Jahres auch noch unser lieber Freund und Partner Godfrey in Uganda verstirbt, … ich wäre verzweifelt, hätte es nicht geglaubt. Ebenso wenig hätte ich geglaubt, dass ein Jahr später meine 3½ Wochen alte Tochter auf meinem Arm liegt, während ich diesen Blogbeitrag schreibe. Ein kleines Wunder. Ein Geschenk. Eines, das mitunter durch das Erdbeben beeinflusst wurde. Denn meine Einsatzreise nach dem Erdbeben im Juni 2015 erschütterte nicht nur mich sondern auch meinen Zyklus … das Leben ist so.