Wir Deutschsprechenden sind gastfreundlich. Meinen wir zumindest. Weil es höflich ist und es ja die gute Erziehung so vorsieht. Und sowieso und überhaupt. Bis wir wieder mal in ein anderes Land kommen. Nach Uganda, zum Beispiel. „You are most welcome!“ heißt es dort einheitlich. Vom einfachen Bauern bis hin zum Managing Director einer der größten Radio- und Fernseh-Anstalt (wo es übrigens auch künftig Karmalaya-Praktika geben wird). Vom Süden nach Westen und in den Osten und in den Norden. Genau, den Norden. Darüber heute ein paar Zeilen. Schließlich ist dort in der Vergangenheit viel passiert.
Die Planung einer Reise nach Uganda wird in unseren Breitengraden oft mit Kopfschütteln und Unverständnis begleitet. Assoziationen wie Massenmord, Bürgerkrieg, Vertreibungen, Korruption, Epidemien und andere negative Begriffe kommen einem in den Sinn. Vor allem der älteren Generation, die sich an die Zeitungsberichte von damals noch erinnern kann. Dabei wird das Land langsam wieder zur „Perle Afrikas“, wie Winston Churchill es einst in seinen Reiseaufzeichnungen bereits bezeichnet hatte.
Dennoch gab es in den letzten 30 Jahren einige heftige Rückschläge. Insbesondere im Norden. So berichtet unser Freund und Partner David während unserer mehrstündigen Fahrt von Kampala nach Gulu von seinen schrecklichen Kindheitserinnerungen im Jahr 1995 (Stichwort Joseph Kony, LRA). David musste damals mit seiner ganzen Familie flüchten, bis nach Karuma, denn dort war die Sicherheitslage dank des Flusses Nil als natürliche Grenze besser. Viele seiner Freunde und Bekannten fielen den Rebellen auf bestialische Weise zum Opfer. Noch heute leiden viele unter den traumatischen Erlebnissen, wie gerade wieder ein Artikel der ugandischen „Sunday Vision“ vom 14. Juli über Selbstmorde der traumatisierten Bevölkerung des Nordens bezeugt. Auch die wirtschaftliche Entwicklung hinkt dem Rest des Landes nach. Obwohl das Land durchaus reich an Gemüse- und Obstarten ist, sogar Kaffee und Baumwolle wird angebaut.
Unser Weg führt uns auf der einzigen Verbindungsstraße von Kampala über Luweero zum Ziwa Rhino Sanctuary. Dank geführtem Rhino Tracking durch einen Ranger entdecken wir 6 (von insgesamt 13) wilde Nashörner, die im Rhino Sanctuary leben – unter anderem „Obama“, ein Nashorn mit kenianischer Mutter und amerikanischem Vater. Nach einiger Zeit sind wir wieder auf Achse Richtung Gulu. Ein kurzer Zwischenstopp am Straßenrand bringt uns in den Genuss von Cassava (Maniok-Wurzel) – ein optimaler Snack für Zwischendurch.
Bei Karuma, kurz vor der Überquerung des Nils, besucht David seine Familie, die dem Stamm der Ancholi angehört. Ein Erlebnis. Für ihn: Schließlich sah er seine Familie lange nicht, hat er doch das letzte Jahr in Österreich studiert. Und für uns: Ein typisches Dorf mit Lehmhütten zeigt uns die traditionelle Lebensweise. Prompt bekommen wir schmackhaftes Huhn mit Maisbrei gereicht. Die Familie ist nach wie vor Selbstversorger: Kochbananen, Bananen, Papayas, Ananas, Geflügel, Mais, Maniok und vieles mehr.
Nach einem Gruppenfoto erreichen wir unseren ersten Projekttermin, ein Child-Development Programm in der Nähe von Gulu. Es ist grüner hier als rund um Kampala. Versteckt in der wunderschönen, üppigen Natur zwischen Bananenstauden, Mais und vielen verschiedenen Baum- und Palmenarten. Pfarrer Joseph dirigiert den Toyota zuverlässig im Schritttempo auf der rotbraunen, staubigen Piste durch Schlaglöcher und Gräben. Kinder erspähen uns und laufen zum Fahrzeug. Winkend und lachend schreien sie uns „Ey, munu!“ zu, was hier im Norden so viel heißt, wie „Hallo, Weißer!“. Während im südlichen Gebieten wir Weiße als „Mzungu“ (musungu) bezeichnet werden, reichen hier vier Buchstaben. A propos Mzungu: wir sind nun seit 5 Tagen in Uganda und haben keine 30 Mzungus gesehen. Das erklärt somit auch die emotionale Begrüßung.
Gulu ist mit ca. 50.000 Einwohnern die größte Stadt im Norden. Die Zahl der Flüchtlinge würde allerdings die Einwohnerzahl auf locker über 120.000 sprengen. Die staubige Stadt dient hauptsächlich als Durchfahrts- und Übernachtungsort für Reisende in die Demokratische Republik Kongo und in den Südsudan. Touristen hat Gulu lange Zeit nicht gesehen.
In Gulu angekommen folgen weitere Karmalaya-Termine, darunter ein Food Cooking & Catering Programm für junge Mütter, ein Medizinprojekt für die Communities, ein Handwerksprojekt für Frauen und ein Farmingprojekt. Der Bedarf für Unterstützung ist groß, Möglichkeiten gibt es viele. Karmalaya-Volunteers, die anpacken möchten und die die herzliche ugandische Gastfreundschaft kennen lernen wollen, werden sich bald auch hier in verschiedenen Bereichen nachhaltig engagieren können. Zu tun gibt es hier mehr als genug.
Auf der Rückfahrt bietet mir Pfarrer Joseph die Gelegenheit, den Toyota selbst zu steuern. Die Möglichkeit lasse ich mir natürlich nicht nehmen. In Uganda herrscht aufgrund der britischen Historie Linksverkehr, man fährt also „falsch“. Die einzige Verbindungsstraße bis Gulu und zurück ist in relativ gutem Zustand, allerdings zwingen Schlaglöcher, in denen man locker Goldfische züchten könnte, immer wieder zum abrupten Abbremsen mit kreativem Zickzackkurs. Ich habe Spaß. Wir haben Spaß. Ugandischer Sinn für Humor ist unbeschreiblich – Gesichtsmuskelkater inklusive.
(me – Matthias Eckert)